Heimatbuch II Beringstedt, Seite 69
geschrieben 1934 von Anne Holm (sie heiratet später den Bäcker Alfred Schlüter, Saar 23)
Eine alte Bauerntracht
In Gedanken gehe ich zurück in die Zeit vor mehr als 100 Jahren. Ich befinde mich auf einem alten, schönen Bauernhof in der Döns. Bei mir in der Döns am Spinnrad sitzt die ältere Bauernfrau. Der Abend war schon gekommen und die Dämmerung trat ein. Wie ich mich eine lange Zeit mit der Bäuerin unterhalten habe, öffnet sich plötzlich die Dönstür. Herein tritt mit freudigem Gesicht der stolze Bauer. Er begrüßt mich freundlich und erzählt uns dann von seinen Erlebnissen auf der Taufe, von welcher er kam. Ich aber beguckte seine farbenfreudige Tracht. Diese hat die Farben schwarz-weiß-rot. Schwarz der Rock, weiß ist die aus einem Stück bestehende, selbstgemachte Leinenhose und rot ist die beiderwendsche Weste. Nachdem er uns seine schönsten Erlebnisse erzählt hat, zieht er den dicken, schwarzen Gehrock aus und hängt ihn an seinen Platz. Dieser ist ein Nagel bei der Tür. Hiernach setzt er sich auf einem einfachen Holzstuhl nieder. Anstatt der schwarzen Rockärmel sehe ich jetzt weiße Hemdsärmel. Von der roten Weste glänzen 16 silberne Knöpfe, welche von Vater auf Sohn vererbt werden. Plötzlich fiel es dem Bauern ein, daß er jetzt Gelegenheit hatte, seine Pfeife zu rauchen. Er stand auf und holte die weiße Kalkpfeife. Diese hing an einem Nagel an der Wand. Nun sah ich mir besonders die merkwürdige Hose an. An jeder Seite sind 24 hölzerne, mit weißen Leinen überzogene Knöpfe, welche selbst gemacht sind. Nachdem der Bauer seine Pfeife mit schlichtem Tabak gefüllt hat, setzt er sich wieder gemütlich auf seinen Platz du plaudert weiter. Die Uhr schlug 10 h. „So spät ist es schon!“, sprach ich erstaunt und schaute aus dem Fenster. Vom Himmel strahlten die goldenen Sterne, sogar ein leuchtender Vollmond sandte sein grelles Licht auf die stille Erde. Nun muß ich den Heimweg antreten. Doch bevor ich hinaus ging betrachtete ich noch einmal den schwarzen Gehrock. Er ist schön mit schwarzem Stoff gefüttert. Die Taschen des Rockes sind hinten an der innenseite. Darum ist der Rock mit einer Doppelreihe von 9 mit schwarzem Stoff überzogenen Knöpfen gesetzt. Ich sprach zum Bauern: „Es muß doch unbequem sein, diese Tracht zu tragen!“ „Ja,“ sprach er, „aber wir tragen sie ja nur bei Festlichkeiten wie Taufe, Hochzeit usw!“ Dann verabschiedete ich mich und verließ den stillen Bauernhof.
gez. Anne Holm
abgeschrieben von W. Krogh
Dieses Bild wurde mit ins Heimatbuch II geklebt:
Anmerkung: Auch die Frauen trugen damals zu bestimmten Anlässen eine Tracht. Ein Bild von dieser Frauen-Tracht gibt es leider nicht, aber folgenden Text:.
Die Tracht der Bauernfrau vor 200 Jahren
Abschrift aus dem zweiten Heimatbuch, Seite 76 u. 77, geschrieben von Anne Holm, abgeschrieben von M. Lauritzen im März 1935
In Gedanken versetzen wir uns in die Zeit vor 200 Jahren zurück. Dumpf hallen meine Schritte auf der von grünenden Bäumen begrenzten Dorfstraße. Auch von frischem Grün umgeben liegen die strohgedeckten Häuser still und friedvoll da.
Als müd´ner Wanderer lenke ich meine Schritte in das nahe Bauernhaus, um ein Nachtlager zu bekommen. Freundlich werde ich in die Döns geleitet. O, da ist die Schneiderin emsig am Werk. Ganz erstaunt bewundere ich die fertig gestellte seidene Bluse. Während die Schneiderin unaufhörlich an dem Rock weiter näht, ziehe ich die leuchtende, dunkelbraune Bluse heran und beschaue sie ordentlich. Sie ist ziemlich weit und die Länge zur Mitte des Rückens beträgt 23 cm. Der Halsausschnitt ist mit seidenen Fransen verziert. Vorne in der Bluse sind 12 sorgfältig ausgenähte Schmürlöcher. Hindurch wird eine silberne Kette gezogen und durch die Kette wird die Bluse zusammengehalten. Gefüttert ist sie dagegen mit einfachem Leinzeug. Aber alles ist sorgfältig mit der Hand genäht. O, was für eine Arbeit! sagte ich mir immer wieder. Nun war auch der Rock nach mühevoller Arbeit bald fertiggestellt. „Wozu soll denn eigentlich diese Tracht dienen?“ fragte ich. „Zur Hochzeit meiner Tochter“, antwortete die Bäuerin stolz. Währenddessen war die Schneiderin von ihrem Sitz aufgestanden. Atmete erleichtert auf und legte den weiten, langen, roten mit gelben Streifen durchzogenen Rock auf den Tisch. Unten ist er mit 10 cm breiten Samtbändern umfaßt. Was für eine Farbenpracht! „Auch die Mütze (Haube) muß noch einmal danebengelegt werden, damit wir die ganze Tracht beurteilen können!“ schlägt die Schneiderin vor. Vorsichtig wird das gewünschte von der Mutter aus dem Pesel geholt. Es ist eine kleine hohle Halbkugel aus steifem Leinzeug mit brauner Seide überzogen. Über die Seide ist eine weiße Spitze gebreitet und hinten prangt ein 10 cm langer, feiner, schneeweißer Schleier. An den Seiten hängt eine 9 cm breite und 85 cm lange braunbunte Schleife herunter. Oben in der Mitte der Halbkugel ist eine ganz feine zierliche Kreuzstickerei. O, wie wundervoll wirkt doch diese schöne Tracht und wieviel Mühe und Arbeit hat sie gekostet. Nach langem Betrachten gehen alle fröhlich zur Ruhe.
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